„Wir sind ein E-Paper-First-Haus“
Viele Medienhäuser sind heilfroh, dass die ePaper-Verkaufszahlen zur Stabilisierung der Umsätze beitragen. Interview mit Dennis Rößler, Leiter Werbevermarktung sh:z und A. Beig Verlag, Flensburg zum Thema Zukunft ePaper, die Potenziale und Erfolgsrezepte.
Herr Rößler, in Ihrem Vortrag „E-Paper als digitales Power-Produkt: Smarte Vermarktungskonzepte für die digitale Zeitung“ beim BDZV Vermarktungsgipfel haben Sie mit Blick auf das ePaper von einer „verdammt langen Brücke“ gesprochen. Was genau meinen Sie damit?
Wir stehen im Publishing zwischen Tradition und digitaler Transformation. Das E-Paper ist für uns kein Übergangsmodell, sondern eine tragfähige Brücke mit echtem Erlöspotenzial. Unser Modell zeigt: Es funktioniert. Und zwar langfristig.
Was machen Sie anders als andere?
Wir produzieren E-Paper-first. Das heißt: Aus dem E-Paper entsteht das Printprodukt – nicht umgekehrt. Dadurch bieten wir im Digitalen mehr Inhalte: z. B. einen erweiterten Lokalteil, mehr Sportseiten, exklusive Artikel. Unser Redaktion arbeitet dabei mit KI, um Artikel vorzulesen oder perspektivisch in andere Sprachen zu übersetzen – in Flensburg ist Dänisch ein Thema. Auch Bewegtbild und Fotostrecken testen wir vorsichtig, ohne die Nutzererfahrung zu stören.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis in der Vermarktung?
Wir vermarkten das E-Paper nicht als Abfallprodukt, sondern als eigenständige journalistische Leistung. Das kommunizieren wir klar – und das zahlt sich aus. Unsere hohe Nutzungsrate bestätigt das. In der Vermarktung trennt unser Haus strikt zwischen Print- und Digital-Abonnements. Bei uns gibt es kein Kombi-Abo, sondern ein eigenständiges Digitalprodukt für über 40 Euro. Dieses wird aktiv genutzt: Von unseren 51.000 Abonnenten laden über 50.000 täglich ihr E-Paper herunter. Das zeigt: Unsere Leser sehen echten Wert in unserem digitalen Angebot.
Wer sind diese Leser?
Entgegen der allgemeinen Erwartung ist das E-Paper kein Jugendprodukt. Unsere Zielgruppe ist nur zwei bis drei Jahre jünger als die Print-Leserschaft. Der Peak liegt weiterhin bei 60+. Viele nutzen das E-Paper wegen besserer Lesbarkeit oder der Vorlesefunktion – also auch aus Komfortgründen.
Wie wirkt sich das auf Ihre Vermarktung aus?
Deutlich. Wir setzen auf ruhige, nicht aufdringliche Werbeformen wie Interstitials alle fünf Seiten. Unsere Leser schätzen das. Blinkende Banner oder aggressive Anzeigenformate vermeiden wir bewusst. Das E-Paper wird wie eine Zeitung konsumiert – in einem wertschätzenden Umfeld.
Und wie erreichen Sie junge Zielgruppen?
Die erreichen wir über andere Kanäle: TikTok, Instagram, shz.de. Das E-Paper ist kein Tool für 20- bis 30-Jährige. Aber wir kombinieren unsere Angebote gezielt, z. B. mit Online-Advertorials, die wir aus dem E-Paper heraus verlinke
Wie haben Sie Ihre Gesamtstrategie im Bereich Sale angepasst?
Wir denken nicht mehr in Objekten, sondern in Zielgruppen. Unsere Aufgabe ist es, Werbeziele zu erfüllen, nicht unbedingt Anzeigen zu verkaufen. Wenn das mit eigenen Medien nicht geht, kombinieren wir sie mit externen Reichweiten – Hauptsache, der Kunde erreicht sein Ziel.
Ist Print für Sie eigentlich noch relevant?
Ja, aber zunehmend als Nischenprodukt mit klarer Zielgruppe. In der Vermarktung dominiert Digital. Print bleibt, solange Leser es wollen. Aber für die Zukunft setzen wir auf ein breiteres Portfolio – zunehmend auch außerhalb der eigenen Plattformen.
Was nehmen Sie aus dieser Entwicklung mit?
Dass Erfolg im Digitalen nicht von Technologie allein abhängt, sondern von Haltung. Wer Digitales wie ein minderwertiges Nebenprodukt behandelt, wird es schwer haben. Wer es als eigenständiges Angebot versteht, kann echte Wachstumschancen nutzen.